Manchmal gibt es Verbindungen, von denen man nur durch einen Zufall erfährt. So verhält es sich mit unserer Verbindung zur Windermere School in England.
Gemeinsam mit seiner Tochter war Martin kürzlich in England, um sich einige Schulen anzusehen. Zu denen gehörte auch Windermere. Martins Überraschung war wohl nicht ganz klein, als er das Haus betrat und schon die Sitzmöbel im Foyer in diesem, sozusagen „unserem” Stoff bezogen vorfand:
Unser Jacken-Stoff - auch in Windermere
Aber nicht nur das: Auch die Schul-Uniform entspricht unserer Jacke (mit dem kleinen Unterschied, daß die hellblauen Streifen bei uns etwas schmaler sind):
Verblüffende Ähnlichkeit: Windermere Schul-Blazer
An alle noch immer nicht Überzeugten: Ihr seht, eine Jacke wie die unsrige haben auch andere so.
Und an den Chief Garment Officer: Der Umstand, daß auch die Fauteuilles in Windermere entsprechend bezogen sind, sollte uns zum Handeln bewegen. Du hast doch schon vor langer Zeit – genauer gesagt am 25. März 2010 – an dem zugegebenermaßen scheußlichen Stoff Anstoß genommen, mit dem die Eckbank im Clubhaus bezogen ist (siehe „Harder Liste”). Wir ernennen Dich hiermit in vorauseilender Anerkennung Deiner gestalterischen Fähigkeiten zum „Chief Interior Designer”. Walte Deines Amtes!
Wozu eigentlich eine Clubjacke? Das wird sich der eine oder andere unter uns vielleicht gefragt haben, als er gestern erstmals den neuen Blazer in den HCH-Farben angezogen hat (by the way: ein Punkt weniger auf Harders Liste). Auf der Suche nach einer Antwort muß man sich mit den Hauptmechanismen der Mode beschäftigen. Über sie hat der Soziologe und Kulturanthropologe René König 1985 mit seinem Buch „Menschheit auf dem Laufsteg – Die Mode im Zivilisationsprozeß“ eine einschlägige Untersuchung vorgelegt.
Nicht alle, aber einige: Die HCH-Senioren in neuer Clubjacke, September 2010
Zu den wichtigen Funktionen der Mode gehört nach König das Wiedererkennen. Schon die primitivsten Gruppen hätten die Neigung, ihre äußere
A. Dürer: Bauern auf dem Markt (1512)
Gesamterscheinung einigermaßen einheitlich auszubilden. Dem Gefühl der inneren Verbundenheit entspreche dann auch das äußere Gehaben. „Die Standeskleidung“, so König, „ist das sinnfälligste Beispiel für die Wiedererkennungsfunktion der Mode, die dafür sorgt, daß sich ein Gefühl der inneren Verbundenheit einer sozialen Gruppe jenseits der gemeinsamen Sprache, gemeinsamer Traditionen, Ideen und Wertvorstellungen ausbildet.“ Frühe Beispiele hierfür finden sich in den hier abgebildeten Kupferstichen von Albrecht Dürer und Daniel Hopfer. Die Mitglieder ein und derselben Gruppe vermögen es, erläutert König, sich an ihrer einigermaßen ähnlichen äußeren Erscheinung wiederzuerkennen. „Als Extrem finden wir hier die Uniform (…), aber auch sonst extrem gleichförmige Kleidung bei Angehörigen bestimmter Orden, Assoziationen, Vereinigungen
D. Hopfer: Drei Landsknechte (um 1526-1536)
usf.“ Dabei sei „radikale Uniformität“ unverhältnismäßig selten; auch die Einheitlichkeit der Kleidung gehe nicht sehr weit. Zumeist genüge es, daß die allgemeinen Linien eingehalten werden, innerhalb derer dem einzelnen ein gewisser Spielraum gegönnt ist, ohne daß darum die Wiedererkennungsfunktion beeinträchtigt würde.
Zusammengefaßt: Die Wiederkennungsfunktion der Clubjacke sorgt für ein Gefühl der inneren Verbundenheit der Assoziation oder Vereinigung „HCH-Senioren“. Das hätten wir also geklärt. Nach dieser kulturgeschichtlich-soziologischen Betrachtung genügt ein kurzer Blick in die Geschichte des Hockey-Sports, um sich zu vergegenwärtigen, daß Clubjacken früher gang und gäbe waren. Wir tun also nichts anderes, als an eine Tradition anzuknüpfen, die leider unter die Räder gekommen ist. Oder möchte vielleicht jemand behaupten, der mannschaftliche Auftritt im Trainingsanzug sähe besser als der in einer Clubjacke?
Die Clubjacken waren mal gestreift, mal farbig eingefaßt. Ein Beispiel für die eher dezente gestreifte Variante zeigt eine Aufnahme der 1. Herren des
Harvestehuder THC, 1. Herren, 1927
Harvestehuder THC aus dem Jahr 1927 „in ihren neuen Clubjacken – schwarz, mit feinen gelben Streifen“, wie die Clubchronik zu berichten weiß. In den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts entschied man sich dann für das
Harvestehuder THC, 1. Herren, 1934
eingefaßte Modell. Die Aufnahme zeigt wiederum die 1. Hockey-Herren des HTHC 1934 vor einem Spiel gegen Rot-Weiß Köln. Gelegentlich konnten Clubjacken in früherer Zeit ein Mittel der psychologischen Kampfführung sein.
Ernst Rudolf „Bulle“ Gossler, HTHC, 1925
Zu dem Bild von Ernst Rudolf „Bulle“ Gossler schreibt die HTHC-Chronik: „Auf seiner HTHC-Clubjacke der Reichsadler als Zeichen des Nationalspielers. Sie wurden damals in Hockeykreisen ‚Adlerträger’ genannt. Dazu das Verbandsabzeichen des Norddeutschen Hockeyverbands als Repräsentativspieler. Damit sollte der Gegner beeindruckt werden, ‚dessen Mut erheblich sank, wenn mehrere solcher Clubjacken-Träger mitspielten’!“
Dass Clubjacken nicht eine Marotte spleeniger Hanseaten waren, dokumentiert beispielsweise eine weitere Aufnahme. Sie zeigt die 1. Herrenmannschaft des Akademischen Sportvereins Dresden im November 1910. Auch die Dresdner
Akademischer Sportverein Dresden, 1. Herren, 1910
Herren trugen eine Clubjacke, einige von ihnen mit dem Kürzel „A.S.C.“ (für Akademischer Sportclub, einem Vorläufer des ASV) und dem Gründungsjahr „1906“ auf der Brust.
Natürlich ließen sich aus vielen anderen Hockeyclubs ähnliche Bilder liefern. In den Traditionsclubs war es sozusagen vollkommen normal, eine Clubjacke zu tragen. Daran ist heute zu erinnern, vor allem wenn der eine oder andere Zweifel hegt, ob das Tragen einer Clubjacke nicht doch ein wenig übertrieben ist – in der heutigen Zeit. Keineswegs, ihr Ungläubigen! Und was ist schon eine Clubjacke gegen den Aufzug der Hockeyspieler um 1900?
Dazu ein letztes Beispiel: Im November 1900 lud eine Mixed-Elf des 1. Hamburger Hockey-Clubs (der erste offizielle Verein in Deutschland) eine ebenfalls gemischte Mannschaft des Berliner Hockey- und Radpolo-Clubs zu einem Spiel nach Hamburg ein. Es gilt als der erste interurbane Hockey-Wettkampf in Deutschland. Die Hamburger waren nicht schlecht erstaunt, als ihre Berliner Gäste im gleichfarbigen „Sportdress“
Hockey im Cut und Glockenrock: 1. Hamburger Hockey-Club, Mixed, 1900
antraten. Sie selbst hatten noch großes Gewand angelegt: Die sechs Herren mit Cut und Lackschuhen, die fünf Damen in fußlangen Glockenröcken und mit Krawatte. Dazu war die Hamburger Mannschaft mit rot-weißen Schärpen geschmückt. Das sah zwar gut aus, erwies sich aber womöglich als etwas unzweckmäßig – die Berliner siegten mit 4:0.
Ach übrigens: Es glaube keiner, mit dem Tragen der Clubjacke sei sein „Dienst“ für den HCH schon ausreichend geleistet. Als Mahnung hier ein Auszug aus der Clubzeitung des Harvestehuder THC vom März 1936: „Die Mitgliedschaft im HTHC gibt nicht in erster Linie das Recht, in meterlangen Schals in den Clubfarben und pompösen Clubjacken herumzulaufen und im übrigen eine trostlose Figur zu machen, sondern zunächst die Pflicht, sich für die Interessen des Clubs – die Eure eigenen sind – restlos einzusetzen.“ Halten wir uns daran – allerdings könnten wir schon noch einen Schal gebrauchen…
Quellen:
König, René: Menschheit auf dem Laufsteg. Die Mode im Zivilisationsprozeß, Frankfurt/M.-Berlin: Ullstein 1988
Chronik des Harvestehuder Tennis- und Hockey-Clubs 1891-1991, Hamburg 1991
Auf die berühmte Henley Royal Regatta hatten wir schon einmal Bezug genommen: in dem wegweisenden Beitrag „Harders Liste”. In ihrer Ausgabe vom 15. Juli 2010 widmete nun die F.A.Z. diesem traditionsreichen Ruderwettbewerb eine launige Betrachtung.
Was in Ascot die Royal Enclosure ist, ist in Henley die Stewards’ Enclosure (siehe Photos). Zutritt nur für Mitglieder und deren Gäste! Und selbstverständlich nicht in irgendeiner Aufmachung: „Am Eingang stehen Herren in schwarzem Anzug und Melone und überprüfen den Dresscode der Gäste. Ihr Kopfschütteln ist dezent und höflich, ihr Nein unumstößlich.
Stewards' Enclosure
Es wird darum gebeten, sich ‚in Übereinstimmung mit der bewährten Tradition’ zu kleiden, heißt es in der Einladung (und die währt immerhin schon seit 1839; N.H.). Das bedeutet: knielange Kleider für die Damen, kein Jeansstoff. Die Herren tragen Schlips und Jackett. Nur dreimal in den vergangenen einhunderteinundsiebzig Jahren wurde ihnen gestattet, das Jackett abzulegen. Damals kletterte das Thermometer auf über dreiunddreißig Grad.” In Zeiten, in denen die halbe Welt bei wärmeren Temperaturen so rumläuft, als sei sie gerade auf dem Weg ins Schwimmbad oder an den Strand, freut man sich doch über solche Residuen von Stil.
Keine Frage: Wir sind mit unserem Club Jacket genau auf dem richtigen Weg. Man beachte nur die rot gewandeten Jungs vor der Fawley Bar! Ob wir es allerdings so halten wollen, wie Callum Macpherson und andere, sei dahingestellt. Von ihm weiß die F.A.Z. zu berichten, er trage „ein abgeranztes Jackett und eine mit Flecken übersäte Hose. (…) Er trage den Blazer schon seit 1996, erklärt er stolz und nimmt einen großen Schluck aus seinem Pint. Jeder Fleck erzähle die Geschichte eines feuchtfröhlichen Gelages. Ein alter Herr mit weißem Bart, der ein paar Stühle weiter sitzt und ein Schälchen frische Erdbeeren genießt, lächelt. ‚Good boy’, kommentiert er. Sechsundachtzig Jahre sei er alt und sammele auf seinem Jackett schon seit dem Jahr 1948 Flecken, Brand- und Mottenlöcher. Noblesse oblige.” Wir sind gespannt, wie lange unsere Jackets halten…
Neben dem sicher etwas spleenigen Umgang britischer Gentleman mit abgetragenen Jackets sollten wir uns noch ein weiteres Detail der Henley Royal Regatta zu Herzen nehmen. In der Stewards’ Enclosure trinkt man natürlich nicht irgend etwas, sondern Pimm’s. Ein legendäres Getränk. Wer noch nie Pimm’s No. 1 Cup mit einer Orangen- (oder Zitronen-) und einer Gurkenscheibe, einem Blatt Minze, aufgefüllt mit 7-up (zur Not Sprite) getrunken hat, ist wirklich nur zu bedauern. Ein Getränk, das der HCH-Senioren würdig ist.
Und was sehen wir am Ende auch hier: „Harders Liste” wird lang und länger. Quod errat demonstrandum.
Wo man hinsieht: Room for Improvement. Mit „Harders Liste” haben wir einen ersten Überblick über die Agenda gegeben. Die aber wächst und wächst. Stichwort: Hockeyplatz. Heutige Kunstrasenplätze sind nicht gerade für ihre ästhetischen Reize bekannt. Dabei geht es auch ganz anders, wie dieser kurze Film von den Olympischen Spielen in Rom 1960 (Polen vs. Pakistan) zeigt:
Das Filmmaterial ist zwar nicht brilliant, die Stadiongestaltung aber gut zu erkennen. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen: Der HCH-Senioren Hockey-Playground umringt von Statuen der Hockey-Heroen – mindestens in Lebensgröße. Vielleicht besser überlebensgroß, sonst könnte man Hennes übersehen.
Keine Frage: Die kulinarische Versorgung im Clubhaus des HCH ist verbesserungsfähig. Ja, nicht nur das, sie ist bekanntlich überhaupt nicht vorhanden. Wenn nicht gelegentlich mal jemand Frankfurter Würstchen mitbringt, halten sich die Senioren an Dauerbackwaren in Brezelform oder Erdnüssen fest. Dabei sind letztere viel zu klein zum festhalten.
Ein wunderbarer Vorschlag kam jüngst von Jochen Malmsheimer. Bei ihm feiert das gute alte Wurstbrot eine triumphale Wiederauferstehung:
Wenn das keine nachdrückliche Aufforderung ist! Und das Rezept ist so einfach…